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Mainzer Allgemeine Zeitung vom 03.06.2003:

"Großer Pfanni, du bist kross, du bist Boss"

Mainzer Minipressen-Messe: Poetry-Slam im Kulturzentrum
Von unserer Mitarbeiterin Sonja Probst

Jede Zeit hat die Dichter, die sie verdient: "Großer Pfanni, Du mehliger Geist! Du bist groß, Du bist kross, Du bist Manna, Du bist Boss!", rappt Francis Kirps im Galerie-Saal des Kulturzentrums. Gut 120 Literatur-Jünger sitzen ihm zu Füßen und verfolgen amüsiert, beeindruckt, gelangweilt, was er und seine 16 Dichter- Kollegen auf der Bühne so zu bieten haben. "Ein Mann, ein Mikrofon, ein Ständer", schrie kurz zuvor Lockenkopf Sushi aus Düsseldorf, das "dichtende Reisfischröllchen" dem Publikum entgegen.
Und fasst, wenn auch etwas verkürzt, zusammen, wobei es beim Poetry Slam eigentlich geht: Um einen Dichterwettstreit, bei dem der Künstler ohne jede Hilfsmittel mit Text und Performance zu punkten versucht. Das oberste Gebot: "Du sollst nicht langweilen!" Die Bewertung übernimmt das Publikum nämlich selbst. Mit Schreien, Klatschen, Pfeifen zeigt es dem Dichter, wo er in seiner Gunst steht und beendet literarische Tiefschläge schon mal mit einem beherzten "Hau ab!" Aus Hamburg, Passau, Düsseldorf, Bochum, Frankfurt, Wiesbaden und Mainz sind die Poeten für den dritten Slam der Minipressenmesse angereist. Erlaubt ist fast alles. Ganz nah am Alltag oder in Sehnsucht entrückt. Die Texte sind trivial, witzig, voller Plattitüden, hoch literarisch und manchmal auch sehr nachdenklich.
Drei Stunden lang wechseln Dichter und Stilrichtungen im Fünf-Minuten-Takt. Hannelore Perella aus Mainz präsentiert Gedanken, die sie vor 20 Jahren hatte, als sie "den Müll rausbrachte". Lino Ziegel aus Gießen kämpft wortgewandt gegen Vögel, die sich "nach und nach die Welt erkacken". Und Almut Lösch gibt Einblicke in den Weltekel einer magersüchtigen 14-Jährigen: "Meine Angst, das große schwarze Tier, sie lebt in mir, sie lebt in mir."
Nach dem mehrstündigen Wort-Duell landet der 40-jährige Binger Stefan Schraha ("der folgende Text ist allen Heimwerkern dieser Welt gewidmet") auf dem dritten Platz. Der 18-jährige Lino Ziegel ("da krampft die Ader, da pickelt die Por") wird Zweiter. Und die 25-jährige Mainzerin Etta Streicher ("Wolken sind aus Wasser, das den Mut zum Fliegen hat") erklimmt mit ihren surrealistischen Wort-Bildern schließlich den abendlichen Dichter-Himmel.
Ob hohe literarische Kunst oder nicht ist den Slam Poeten ziemlich egal. Sie lieben als literarische Subkultur die Bühne, die unprätentiöse Veranstaltungsform, das unbestechliche Publikum.

(Quelle: Mainzer Allgemeine Zeitung vom 3.06.2003)

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