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Wiesbadener Kurier vom 24.12.2007

Skizzen aus dem stinknormalen Jung-Frauen-Leben

Jahresend-Ausscheidung beim Poetry Slam im Schlachthof: Nadja Schlüter gewinnt den Wettbewerb und vertritt Wiesbaden in Zürich 2008
Von Kathrin Schwedler

WIESSBADEN Die Bonnerin Nadja Schlüter wird 2008 in Zürich beim GIPS (German National Poetry Slam) die Wettbewerbsstaffel "Wilde Worte" aus Wiesbaden vertreten. Volles Haus zur Jahresend-Ausscheidung der Schlachthof-Slam-Reihe in der Räucherkammer. Acht Gewinner der Sprechkämpfe 2007 traten an, um Osterhasen, Lebkuchenherzen und die Fahrkarte in die Schweiz zu erringen. Im Finale hatten diesmal die Plaudertaschen des Genres "Glosse" eindeutig die Nase vorn und konnten in den jeweils sieben Minuten mit knackigen Texten zu authentischen Alltagsthemen punkten.
Bei den Sprechbeiträgen war für jeden Zuhörer etwas dabei. Besinnlichkeit mit Mary Grebners metaphorisch-metaphysischen Gedanken über das Leben als Baum, Feuer oder Fluss. Karsten Lampe durchlitt wie auf Speed das Saturday-Night-Fieber eines Loosers. Necip Tokoglu verulkte kabarettistisch seine Existenz als integrierter Türke, dem am Londoner Flughafen der Deutsche durchgeht. Der Traum von politisch unkorrekten Visionen mit melancholisch-existentialistischen Untertönen kam bei Jens Jekewitz zur Sprache. Entzückendes Leid am Zeitgeist der "Generation Brunch" verströmte Florian H.H. Graf von Hinten. Zwischen Dada, Beatnik, Hiphop und GZSZ-Gequatsche nicht nur wörtlich tanzte Stefan Dörsing seine Lautperformance über den "Farb-Ton" grün.
Nach zwei Vorrunden traten zum Finale dann zwei junge Prosaheroen an, die das Zeug haben in Fußstapfen von Publizisten wie Axel Hacke oder Wigalf Droste zu treten. Nach einer bizarr überbordenden Phantasmagorie zu zersägten Pferden, eingekochten Bischöfen und Kräuterschnaps in der pseudologischen Diktion der TV-Figur Dittsche, ließ Karsten Hohage uns detailliert an seiner Flugangstneurose teilhaben. Nadja Schlüter, eben erst zwanzig Jahre, überzeugte auch bei ihrem zweiten Auftritt mit lebensechten Skizzen aus dem stinknormalen Jung-Frauen-Leben. Irrwitzig und soghaft ihre Tirade über das Problem, was und wie man sich alles merken muss, um in der Informationsgesellschaft auf Zack zu sein. Erschütternd komisch das Porträt der komplett unbedeutenden und total zufriedenen Carola, deren Leben durch einen "Verspannungsmechaniker" sensationeller werden könnte, wenn es diesen Beruf denn gäbe.
Umrahmt von Bauchtanzeinsprengseln des Quartetts Djalal und einem sozialpädagogisch gut gelaunten Moderator vom Verein "Wilde Worte" kam das Publikum absolut auf seine Kosten.

(Wiesbadener Kurier vom 24.12.2007)

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