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Wiesbadener Kurier vom 30.04.2004

Subtile Abgründe eines Lebens im Scheinwerferlicht

"Buchseiten, Buchzeiten": Thea Dorn liest im Kulturzentrum Schlachthof aus ihrem neuen Roman "Die Brut"
Von Kurier-Mitarbeiterin Corinna Spatz

Mit einem Laptop-Absturz gegen Mitternacht nimmt das Verhängnis seinen Lauf: Tessa Simon, Fernsehmoderatorin und Protagonistin in Thea Dorns neuem Roman "Die Brut", entdeckt eine Email der Verflossenen ihres Lebensgefährten Sebastian Waldenfels. Der elektronische Stich ins Herz der Erfolgsverwöhnten enthält die Warnung vor einer ominösen Geschlechtskrankheit, die fortan ihre Gedanken beherrscht. Subversiver Humor und die Lust am schonungslos Ausgesprochenen lassen sich der Autorin nicht ganz absprechen. Die gebürtige Offenbacherin und mehrfach ausgezeichnete Kriminalautorin Dorn las im Rahmen von "Buchseiten, Buchzeiten" auf Einladung des Vereins "Where the wild words are" im Schlachthof aus "Die Brut".

Thea Dorns vierter Roman ist weitaus weniger blutrünstig als die zuvor erschienene "Hirnkönigin" oder die "Berliner Aufklärung". Als studierte Philosophin - das Pseudonym Thea Dorn ist eine Reverenz an Theodor W. Adorno, den Vordenker der Frankfurter Schule - deckt die Autorin diesmal die zunächst noch subtilen Abgründe eines Lebens im Scheinwerferlicht auf. Candida mykosum, "das klang nach Jahrmarkt und roten Äpfeln am Stiel". Tessa Simons Angst vor dem "rasenartigen, grau-weißlichen Belag" ist der Beginn tiefgreifender Veränderungen in ihrem Leben.

Schwester Feli, die Tessas Neffen Kurt wie Moses in einem Körbchen vor der Haustür der Tante deponiert und nach einem missglückten Casting im Bad der erfolgreichen großen Schwester kokst, Freund Sebastian, der seiner vermeintlich Verflossenen bisweilen das "sexuelle Gnadenbrot" verabreicht, Manager Attila, der telefonisch mit den Quoten bis in Tessas Badewanne vordringt - sie alle sind Teil eines Lebens, das Dorns Protagonistin zunehmend aus den Händen gleitet. Dass die Sendung, die Tessa moderiert, "Auf der Couch" heißt und den Gästen mittels psychoanalytischer Mittel, den "Spielregeln des modernen Exorzismus", auf den Zahn fühlt, ist bezeichnend. Tessa, das "Astralweib", wird nicht nur zur potenziellen Brutstätte einer ordinären Pilzkrankheit, sondern auch zum Ausgangspunkt verzweifelter krimineller Energie, die sich nach eingetretener Mutterschaft Tessas ein Ventil sucht.

"Ein banales Leben erhält erst durch einen ungewöhnlichen Tod Bedeutung", sinniert Tessa beim Joggen. Dass für ein vordergründig bedeutungsvolles Leben der Tod nicht das banale Ende sein kann, reizt Thea Dorn genüsslich aus. Ungleich wirkungsvoller ist fortgesetzter Selbstbetrug.

(Quelle: Wiesbadener Kurier vom 30.04.2004)

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